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Beitrag vom 29.02.2024

Das neue SGB XIV – neu oder nicht?

Rechtsanwalt sowie Fachanwalt für Medizinrecht, - 
für Sozialrecht und für Versicherungsrecht Dirk Hinne, Dortmund - 
 

Am 1.1.2024 tritt das SGB XIV im Wesentlichen in Kraft. An das Gesetz knüpften sich hohe Erwartungen. Werden sie erfüllt werden? Das wird sich künftig in der Praxis zeigen müssen.

Aus Anwendersicht ist das Gesetz in Teilen zu begrüßen. So werden bisher zersplitterte Regelungen zusammengefasst. Das ist insbesondere für die anwaltliche Anwendung erfreulich, weil man jetzt nicht eine Vielzahl von Rechtsnormen (z.B. OEG, BVG, KOV-VfG, etc.) suchen und zueinander in Bezug setzen muss, sondern alle wesentlichen anzuwendenden Normen in einem Gesetz finden kann. Zudem fasst das Gesetz viele völlig unterschiedliche Bereiche des Versorgungsrechts, die seit den Afghanistan-Einsätzen wieder bedeutsamer gewordene Kriegsopferversorgung, das Opferentschädigungsrecht und das Infektionsschutzgesetz zusammen.

Besonders im Bereich des Opferentschädigungsrechts waren die Erwartungen an die Neuregelung hoch. Das noch aktuelle Opferentschädigungsrecht wird vielfach als unzureichend empfunden. Insbesondere die Anknüpfung der Leistungsansprüche an den sonst im Rechtssystem nicht existenten Begriff des tätlichen Angriffs, der enger ist als die im Strafrecht genügenden Einwirkungen der vis absoluta und vis compulsiva, und die hohen Anforderungen an den fast nie zu erbringenden Kausalitätsnachweis zwischen Primärschaden und Schadensfolgen verhinderten nahezu jeden Opferentschädigungsanspruch.

§ 13 I Nr. 2 SGB XIV ergänzt den bisher auf den tätlichen Angriff beschränkten Tatbestand um den Begriff der psychischen Gewalttat, für den in Abs. 2 Regelbeispiele genannt werden, wobei insbesondere die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, der Menschenhandel und die Nachstellung in Bezug genommen werden. Hier ist eine deutliche Ausweitung des Anwendungsbereichs der Opferentschädigung erreicht worden.

Erfreulicherweise ist die Rechtsprechung zum sozialrechtlichen Kausalitätsbegriff in § 4 IV–VI SGB XIV nunmehr in Gesetzesform gebracht worden. Das Erfordernis der Abgrenzung von mehreren gegebenen anderen Ursachen ist geblieben. Hier wird auch in Zukunft die Zumessung des Grades der Schädigung problematisch bleiben.

Für die Leistungsträger stellt das SGB XIV trotz der Spanne von drei Jahren zwischen Verabschiedung und Inkrafttreten eine große Herausforderung dar. Das Gesetz stellt die in vielen Teilen des Versorgungsrechts noch praktizierte wilhelminische Rechtsanwendung auf die Anforderungen des neuen Teilhaberechts um.

So sind neue Instrumentarien geschaffen worden, was aus der Sicht der Betroffenen sehr zu begrüßen ist. Hier sind in erster Linie die schnellen Hilfen zu nennen. Betroffene haben Anspruch auf Leistungen auch dann, wenn die Anspruchslage noch nicht abschließend geprüft ist. Das ist wichtig, da die Bearbeitung von Leistungsansprüchen wegen der Komplexität v.a. bei der Kausalitätsprüfung aktuell oft Jahre dauert. Zu den schnellen Hilfen gehört etwa die (in der Verwaltung weitgehend noch zu schaffende) Traumaambulanz mit psychotherapeutischen (Früh-)Interventionen, die eine Verfestigung von Traumaschäden verhindern soll.

Ein weiteres neues Instrument ist der Fallmanager, der die Beratung der betroffenen Menschen übernehmen, auf die Stellung von sachgerechten Anträgen an den oder die in Betracht kommenden Leistungsträger hinwirken und Leistungen koordinieren soll.

Dieser Text wurde veröffentlicht im BRAK-Magazin, Ausgabe 6/2023. Das gesamte Heft kann hier abgerufen werden: DAI Aktuell - Brak Magazin Dezember 2023 - Ausgabe 6/2023